[Home] [Programm] [Workshops] [Anmeldung] [Infos] [Impressum]

Leitkultur Humanismus und Aufklärung
Perspektiven säkularer Politik in Deutschland

Workshops

Workshop 1: Grenzen der Religionsfreiheit (Moderation: Dr. Gerhard Czermak)
Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf (Universität Würzburg): Staat und Religion in Deutschland
Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber (Fachhochschule des Bundes): Der fundamentalistische Charakter von religionen und die notwendigen Grenzen der Religionsfreiheit am Beispiel des Chrsietntums und des Islams

Der Workshop wird grundsätzliche Fragen des Religionsrechts behandeln: Wo liegen – bei grundsätzlicher Wahrung des Rechtes auf Religionsfreiheit – die legitimen Begrenzungsnotwendigkeiten derselben? Wo greift die noch legitime private und öffentliche Ausübung der Religion von Individuen oder Gruppen bereits erheblich in die Rechte anderer ein? Wie steht es auch um die Grundrechte der Mitglieder von Religionsgemeinschaften? Wie demokratieverträglich sind manche Gemeinschaften? Kann mit Berufung auf religiöse Lehren allgemeines Recht außer Kraft gesetzt werden? Inwieweit sind insbesondere Frauen von aberwitzigen bis kriminellen Normen von Religionen betroffen? Wie können Kinder der Anhänger von Religionsgemeinschaften vor einer Ausübung des Erziehungsrechts besser geschützt werden, welche eine vollständige Ausschließung von gruppenfremden Einflüssen durchzusetzen versucht? Ab wann gerät das legitime Agieren für eine spezifische Religion zu einem Übergriff, deren zumeist irrational begründeten Gruppenspielregeln auf andere allgemeinverbindlich auszuweiten? Gibt es ein eigenständiges Erziehungsrecht der Religionsgemeinschaft gegenüber den Kindern ihrer Mitglieder; gibt es gar ein Recht derselben, das staatliche Erziehungsrecht durch alleinige Erziehung durch das Gruppenkollektiv („Heimschulbewegung“) zu ersetzen? Wie begegnet man der Behauptung von Religionsvertretern, eine Kritik ihrer Praktiken sei eine unzulässige Einmischung in deren innere Angelegenheiten? Wo endet die Toleranz gegenüber den Intoleranten? Brauchen wir für den Bereich der Religion einen qualifizierten Verbraucherschutz – jenseits der wechselseitigen Polemiken von interessegeleiteten Konkurrenzbeobachtern aus Religionsgemeinschaften?

Workshop 2: Migration, Integration und Religionen (Moderation: Gunnar Schedel)
Dr. Steffen Rink (REMID): Mit Religion zur Integration? Über Empowerment, Integration und staatliche Religionspolitik
Dr. habil. Waldemar Vogelgesang / Frank Welker (Universität Trier): Importierter Puritanismus. Einwanderung und Religion am Beispiel einer Baptistengemeinde zugewanderter Spätaussiedler

Deutschland ist de facto Einwanderungsland. In den letzten 40 Jahren sind mehrere Millionen „Gastarbeiter“, „Spätaussiedler“, Flüchtlinge, Asylsuchende usw. nach Deutschland gekommen und haben auch ihre Religion „mitgebracht“. Die herrschende Politik greift in letzter Zeit vermehrt zu Angeboten an Religionsgemeinschaften, wenn die Integration von MigrantInnen verbessert werden soll. Der in vielen Bundesländern schrittweise eingeführte Islamunterricht ist dafür ebenso ein Beispiel wie die finanziellen Zuweisungen an den Zentralrat der Juden in Deutschland für dessen Betreuung eingewanderter russischer Juden. Durch diese Vorgehensweise werden einerseits alle Menschen aus einer bestimmten Region oder „community“ ungefragt einer Religionsgemeinschaft zugeordnet; andererseits wird das Problem der Integration von der individuellen Ebene auf die Ebene der Organisationen verlagert. Die Tatsache, dass bei weitem nicht alle Neuankömmlinge religiös sind, gerät dabei ebenso aus dem Blickfeld wie die Frage, ob (zum Beispiel) ein türkischer Jugendlicher nach wöchentlich zwei Stunden Islamunterricht weniger Ausgrenzung in der Gesellschaft erfährt als bisher.
Im Arbeitsbereich „Migration, Integration und Religion“ soll untersucht werden, in welchem Maße staatlich geförderte religiöse Angebote tatsächlich zur Integration von MigrantInnen beitragen und inwiefern sie ein verdecktes „Missionsprogramm“ sind (in dem Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft eine religiöse Identität zugeordnet wird und sie entsprechend behandelt werden). Dabei wäre zu klären, in welchen gesellschaftlichen Bereichen das Ausleben religiöser Identität gestattet oder sogar unterstützt werden kann, weil es Integration tatsächlich fördert, und in welchen Bereichen dies mit dem Anspruch einer säkularen Gesellschaft kollidiert.
Ein Aspekt der Debatte wird der Begriff der „Parallelgesellschaft“ sein. Dieser beschreibt einerseits ein tatsächliches Problem, nämlich den Anspruch bestimmter Gruppen, in einer Subkultur von „eigenem Recht“ zu leben, in der – aus Gründen der Tradition oder Religion – zentrale Menschenrechte keine Gültigkeit besitzen. Da im aktuellen Diskurs darüber jedoch überhaupt nicht der Zusammenhang zwischen Integrationsbereitschaft und Ausgrenzungserfahrung reflektiert wird, kann der Begriff seinerseits leicht zur Generalbegründung der Einschränkung der Bürgerrechte von (angeblich oder tatsächlich) in einer „Parallelgesellschaft“ lebenden MigrantInnen herangezogen werden.
Im Laufe der Diskussion sollen auch säkulare Integrationsmodelle bzw. die Schwierigkeiten in diesem Politikbereich selbstkritisch angesprochen werden (sämtliche säkularen Verbände haben einen unterdurchschnittlichen Anteil an Mitgliedern mit migrantischem Hintergrund).

Workshop 3: Leitkultur Humanismus und Aufklärung – ein Widerspruch zum Konzept des weltanschaulichen neutralen Staates? (Moderation: Dr. Wolfgang Proske)
Dr. Michael Schmidt-Salomon (GBS/IBKA): Plädoyer für eine humanistisch-aufklärerische Leitkultur oder: warum der weltanschaulich neutrale Staat eine Fiktion ist
Dr. Horst Groschopp (HVD): Humanismus als „dritte Konfession“?
Werner Schultz (HVD): Darf der Staat aktiv Werte vermitteln? Die Debatte um den Berliner Werteunterricht

Darf der Staat aktiv Werte vermitteln oder sollte er sich auf eine neutrale Nachtwächterfunktion beschränken? Ist die Trennung von Staat und Kirche wirklich gleichbedeutend mit der Trennung von Staat und Weltanschauung? Kann es einen „weltanschaulich neutralen Staat“ überhaupt geben? Macht es Sinn, den Humanismus als „dritte Konfession“ in Deutschland zu begreifen und sollte diese „Konfession“ gleichberechtigt mit den beiden Großkirchen behandelt werden?
Oder hat der Humanismus einen umfassenderen Anspruch, kann er „mehr“ sein als bloß „eine Konfession unter vielen“? Könnte man ihn möglicherweise als „geheime Leitkultur des modernen Rechtstaates“ begreifen? Welche praktischen Konsequenzen hätte die eine wie die andere Perspektive für eine zeitgemäße säkulare Politik?
Fragen wie diese sollen in dem Workshop behandelt werden. Unter der Moderation von Wolfgang Proske werden Michael Schmidt-Salomon (Geschäftsführer der Giordano Bruno Stiftung und wissenschaftlicher Beirat des IBKA), Horst Groschopp (Bundesvorsitzender des HVD und Geschäftsführer der Humanistischen Akademie Berlin) sowie Werner Schultz (Verantwortlicher für den humanistischen Lebenskundeunterricht beim HVD-Berlin) ihre Ansichten zur Diskussion stellen. Dabei soll es in der Debatte selbstverständlich nicht bloß um abstrakte Begriffsklärungen gehen, sondern um zentrale Weichenstellungen für die Zukunft, nämlich die Frage, in welche Richtung die Politik der säkularen Verbände in den nächsten Jahren steuern sollte.