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            Gebote? 10 Angebote!  
            Ethische Richtlinien für das 21. Jahrhundert  
          A. 
            Einleitung  
          Wenn 
            Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht die „Zehn 
            Gebote“ auswendig lernen, wird ihnen nur in seltensten Fällen 
            vermittelt, dass gleich an deren Anfang eine der unethischsten Verhaltensrichtlinien 
            der Geschichte steht: „Du sollst neben mir keine anderen Götter 
            haben […] Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger 
            Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter 
            an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation.“ 
             
             
            Dass die „Zehn Gebote“ immer noch als ernst zu nehmende 
            ethische Maßstäbe gelten, lässt sich nur als Ausdruck 
            einer katastrophalen Fehlbildung erklären. Wer weiß schon, 
            dass im 10. Gebot Frauen mit Sklaven (sic!), Tieren und sonstigen 
            „Besitztümern“ in eine Reihe gestellt werden? Oder 
            dass Jahwe wenige Verse nach „Du sollst nicht morden“ 
            folgende präzisierende Anweisung gibt? „Eine Hexe sollst 
            du nicht am Leben lassen. Jeder, der mit einem Tier verkehrt, soll 
            mit dem Tod bestraft werden. Wer einer Gottheit außer Jahwe 
            Schlachtopfer darbringt, an dem soll die Vernichtungsweihe vollstreckt 
            werden.“  
             
            Wer die „heiligen Texte“ der „Hochreligionen“ 
            unvoreingenommen analysiert, kommt zu dem Ergebnis, dass diese insgesamt 
            weit unter dem ethischen Mindeststandard jeder halbwegs zivilisierten 
            Gesellschaft stehen! Dies gilt nicht nur für die in diesen Texten 
            enthaltenen göttlichen Gebote und Verbote (beispielsweise die 
            Forderung nach der Todesstrafe für homosexuelle Handlungen oder 
            Glaubensabfall in den Quellentexten des Judentums, Christentums und 
            des Islam), sondern auch für das dort angeblich dokumentierte 
            Verhalten der vermeintlich obersten, moralischen Autorität (Gott). 
             
             
            Als ethisches Vorbild für unsere Zeit taugt der Gott der Juden, 
            Christen und Muslime gewiss nicht Wäre die Bibel tatsächlich 
            „Gottes Wort“, müsste man den in ihr wirkenden göttlichen 
            Tyrannen gleich mehrfach wegen kolossaler Verbrechen gegen die Menschlichkeit 
            anklagen. Kein noch so verkommenes Subjekt unserer Spezies hat jemals 
            derartig weitreichende Verbrechen begangen, wie sie vom Gott der Bibel 
            berichtet werden! Man denke nur an die völlige Auslöschung 
            von Sodom und Gomorra, den weltweiten Genozid an Menschen und Tieren 
            im Zuge der sog. „Sintflut“ oder aber an die für 
            Christen und Muslime verbindliche Androhung ewiger Höllenqual, 
            gegen die jede irdische und damit endliche Strafmaßnahme verblassen 
            muss. 
             
            Ist man sich der streckenweise schwer überbietbaren Grausamkeit 
            der religiösen Quellentexte bewusst, wundert man sich kaum noch 
            über die Kriminalgeschichten der Religionen, die sich auf diese 
            Texte beziehen. Gefordert ist deshalb heute nichts Geringeres als 
            eine globale Konversion von der religiösen Überheblichkeit 
            („Gott will es!!“) zum schlichten Mensch-Sein. Erst wenn 
            wir uns nicht mehr als Christen, Juden, Muslime, Buddhisten, Hindus 
            oder Atheisten gegenübertreten, sondern als freie, gleichberechtigte 
            Mitglieder einer mitunter zur Selbstüberschätzung neigenden 
            affenartigen Spezies, wird sozialer Frieden überhaupt möglich 
            sein…  
             
            Der religiöse Kitt, der trotz aller Bemühungen der Aufklärung 
            noch immer in der Lage ist, riesige Gruppen von Menschen zu binden, 
            sorgt nicht nur für feindselige Abgrenzung zu Anders- und Nichtgläubigen, 
            er ist zugleich der billigste und politisch verheerendste Sprengstoff, 
            den die Menschheit jemals hervorgebracht hat. Dass sich junge Menschen 
            gleich scharenweise im Namen Gottes in die Luft sprengen, gehört 
            zu den verstörendsten Erfahrungen der Gegenwart – nicht 
            zuletzt für jene Weichfilterreligiösen, die dank des aufklärerischen 
            Zähmungsprozesses jeglichen Sinn für die reale Zerstörungskraft 
            authentischer Religion verloren haben. Auch hier lag und liegt ein 
            gefährlicher und unvermindert wirksamer Selektionsvorteil religiöser 
            Propaganda: Kein noch so talentierter Personalchef eines weltlichen 
            Unternehmens könnte einen Menschen zu einer Selbstaufgabe à 
            la 11. September motivieren, potente (d. h. ungezähmte) Religionen 
            schaffen es hingegen spielend, ihre Anhänger bis ans Äußerste 
            ihrer Leistungsbereitschaft zu bringen.  
             
            Vor dem Hintergrund des hiermit verbundenen „religiösen 
            Restrisikos“, d. h. der sehr realen Gefahr, dass wir die Kontrolle 
            über die Religionen verlieren und dadurch einen „religiösen 
            Supergau“ auslösen könnten, steht für evolutionäre 
            Humanisten (neben allen notwendigen sozio-ökonomischen Veränderungen) 
            die Entlarvung des realen Unsinns, der sich hinter den religiösen 
            Sinnkonstruktionen verbirgt, weit vorne auf der Agenda aufklärerischer 
            Politik. Nur so kann der in letzter Instanz kriegstreiberischen religiösen 
            Gettoisierung der Menschheit entgegengewirkt werden. An ihre Stelle 
            – so die politische Utopie des evolutionären Humanismus 
            – sollte eine bunte, aber doch einheitlich humane Weltkultur 
            treten, eine Kultur, die von Offenheit geprägt ist – nicht 
            von Offenbarung, die den Menschen dient – nicht von Menschen 
            geschaffenen Göttern bzw. ihren jeweiligen irdischen Stellvertretern… 
             
           
           
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        B. 
            Die Zehn Gebote der Bibel  
            
          Dann 
            sprach Gott alle diese Worte:  
            Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, 
            aus dem Sklavenhaus.  
          Du 
            sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein 
            Gottesbild machen und keine Darstellung von irgend etwas am Himmel 
            droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst 
            dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, 
            ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger 
            Gott: Bei denen, die mir feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter 
            an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, 
            die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden 
            meine Huld.  
            Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; 
            denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht. 
             
            Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen 
            und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem 
            Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und 
            deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Vieh und der Fremde, 
            der in deinen Stadtbereichen Wohnrecht hat. Denn in sechs Tagen hat 
            der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; 
            am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet 
            und ihn für heilig erklärt.  
            Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, 
            das der Herr, dein Gott, dir gibt.  
            Du sollst nicht morden.  
            Du sollst nicht die Ehe brechen.  
            Du sollst nicht stehlen.  
            Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.  
            Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst 
            nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven 
            oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgend 
            etwas, das deinem Nächsten gehört.  
          Das 
            ganze Volk erlebte, wie es donnerte und blitzte, wie Hörner erklangen 
            und der Berg rauchte. Da bekam das Volk Angst, es zitterte und hielt 
            sich in der Ferne.  
            Sie sagten zu Mose: Rede du mit uns, dann wollen wir hören. Gott 
            soll nicht mit uns reden, sonst sterben wir. Da sagte Mose zum Volk: 
            Fürchtet euch nicht! Gott ist gekommen, um euch auf die Probe 
            zu stellen. Die Furcht vor ihm soll über euch kommen, damit ihr 
            nicht sündigt. Das Volk hielt sich in der Ferne, und Mose näherte 
            sich der dunklen Wolke, in der Gott war.   
            (Einheitsübersetzung der Bibel, Exodus 20,1-21) 
           
              
          
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